In unserer ersten Ausstellung zeigen wir das Buch „Petra. Eine Geschichte aus einfachen Verhältnissen“ und die dazugehörigen Originalillustrationen von Stef Mosebach.
Das Buch „Petra. Eine Geschichte aus einfachen Verhältnissen“ erzählt die Lebensgeschichte von Stef Mosebachs Mutter. Stef ist Illustrator*in (Studium Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität der Künste) und präsentiert in der Ausstellung zum einen das Buch selbst, aber auch Originalillustrationen aus dem Werk und Zitate.
„Dieses Buch erzählt die Geschichte von Petra. Petra ist meine Mutter, geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen. Sie wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Auch ich wurde eine Generation später (1983) in diese Verhältnisse hineingeboren.
Geld hat in unserer Familie oft eine Rolle gespielt. Nicht, weil wir besonders viel davon hatten, sondern weil es im Gegenteil viele Jahre lang an allen Ecken und Enden gefehlt hat. Und das, obwohl meine Eltern wahnsinnig viel gearbeitet haben.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht für alle gleich. Obwohl mein Vater und meine Mutter überdurchschnittlich viele Stunden gearbeitet haben, war ihr Einkommen am Ende gering. Fair ist das nicht. Die Chancengleichheit, von der oft gesprochen wird, gibt es nicht. Weder im Bildungssystem, noch auf dem Arbeitsmarkt.
Schon als Kind merkst Du schnell, wo Dein Platz in der Gesellschaft ist. Trägst Du günstige Kleidung, wird es gehässig kommentiert. Wohnst Du in der einen stadtbekannten Straße oder Siedlung, wirst Du sofort in eine Schublade gesteckt. Können sich deine Eltern keine Nachhilfe leisten, wirst du in der Schule abgehängt. Wieso die Eltern die Nachhilfe nicht einfach selbst übernehmen? Weil sie keinen oder nur einen geringen Schulabschluss haben. Mein Vater geht arbeiten, seitdem er 13 ist. Mir bei meinen Schwierigkeiten mit Mathematik oder Latein zu helfen, war schlicht und ergreifend nicht möglich.
Diese Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder des sozialen Status haben schon meine Großeltern, Eltern und anschließend mein Bruder und ich erlebt. Dafür gibt es einen Begriff: Klassismus.
Wenn du ständig diskriminiert wirst, hat das einen erheblichen Einfluss auf dein Selbstbewusstsein. Menschen mit einem vermeintlich höheren sozialen Status agieren deutlich selbstbewusster. Sie äußern unbedarfter ihre Meinung, weil sie gelernt haben, dass ihre Meinung etwas wert ist. Sie kommunizieren ihre individuellen Interessen und setzen sie auch durch. Ganz besonders gegenüber Mitmenschen, die sie einer niedrigeren Klasse zuordnen. Weil sie sich dazu berechtigt fühlen.
Auch der Kunst- und Kulturbetrieb stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Ganz im Gegenteil: “einfache Leute” werden hier besonders gern belächelt. Die gesprochene Sprache ist akademisch und elitär. Die sozialen Codes fremd. Wer sich in diesem Zusammenhang nicht wohl fühlt oder zurechtfindet, kommt folglich nicht auf die Idee, dort die eigene Geschichte zu erzählen und zu veröffentlichen. Deshalb sind Porträts und Biographien von Menschen dieser sozialen Schicht - und ganz besonders von Frauen – immer noch eine Ausnahme.
Deshalb habe ich Petra gebeten, ihre Geschichte zu erzählen und gemeinsam mit mir an diesem Buch zu arbeiten. Folgende Fragen standen dabei im Vordergrund: Wie ist sie aufgewachsen und welchen Bildungsweg hat sie eingeschlagen? Wie war es, eine eigene Familie zu gründen? Welche Träume und Ängste hatte sie? Wie ist ihr Leben in groben Zügen verlaufen und welche Herausforderungen musste sie sich stellen?
Das Buch besteht aus drei Teilen. Allem voran steht die Abschrift der mündlichen Erzählung von Petra. Da es sich um eine mündliche Erzählung handelt, ist das Ergebnis kein ausgefeilter Text. Ich habe mich zugunsten der Authentizität für diese Textform entschieden.
Im zweiten Teil folgen Fotografien. Die Fotos sollen dabei helfen, sich ein Bild von der jeweiligen Zeit zu machen und einen kleinen Einblick in die Verhältnisse zu gewähren.
Zuletzt habe ich mich in einem dritten Teil zeichnerisch mit der Geschichte von Petra auseinandergesetzt. Im Gegensatz zu den vorherigen Teilen, ist dieser Abschnitt des Buches von meinen subjektiven Erinnerungen und Assoziationen geprägt und damit nicht dokumentarisch.“